space + place – ein musikalischer Hyperraum (2004)
Links gehen – Rechts stehen
für vier Musiker, Video und Live-Elektronik
UA am 12. 6. 2004, Oberbaumcity Berlin
weitere Aufführungen: Festival “Musique-Action” Vandoeuvre (F) 2004, Festival “Intersonanzen” Potsdam 2004, Festival “Kontraste” Krems 2006
Komposition / Live-Elektronik / Konzept – Ana Maria Rodriguez, Konzept / Live-Video – Steffi Weismann, Programmierung – Andre Bartetzki, Ensemble KNM Berlin
“Links gehen – Rechts stehen” thematisiert die Bewegungsmuster von Menschen in Transiträumen. Solche Räume zeichnen sich durch Piktogramme und „Verkehrsregeln“ aus, die den Passanten die Durchquerung von A nach B oder C erleichtern sollen. Die Konditionierung verschiedenster Individuen auf ein geregeltes Verhalten gewährleistet jedoch vor allem den reibungslosen automatisierten Verkehrsfluss.
Die argentinische Komponistin Ana Maria Rodriguez beobachtete ein Personenlaufband im Flughafen Zürich und war verblüfft, wie strikt die Verkehrsregel „Links gehen – Rechts stehen“ dort eingehalten wurde. Sie fand in Steffi Weismann eine Partnerin, die mit ihr das Thema weiter bearbeitete und die das visuelle Konzept für ein Live-Konzert entwickelte, das eine direkte Interaktion zwischen Klängen und Bildern beinhaltet. Die akustische Ebene besteht aus Instrumentalstimmen, die ähnlich wie die Fortbewegung der verschiedenen Menschen auf dem Laufband – leichtfüßig, schwerfällig, eilig, geduldig usw. durch die zeitliche Struktur ihrer Bewegungsabläufe charakterisiert sind. Der Tonraum der Blasinstrunmente wird ins Geräuschhafte erweitert und von der elektronischen Stimme aufgegriffen und gefiltert. Über die Live-Elektronik werden diese Klänge über ein sechskanaliges Lautsprechersystem um das Publikum herum durch den Raum bewegt.
Das Video zeigt Personen oder Gruppen, die das Laufband passieren sowie animierte Flughafen-Piktogramme, die – teils im Original teils in leicht manipulierter Form – subtile Kommentare setzen. Die Musiker sitzen vorne links und rechts neben einer breitformatigen Leinwand und können durch akustische Impulse über die Mikrofone auf die Videosteuerung Einfluss nehmen. Einzelne Bildelemente können durch sie getriggert und durch mehrere Bildfenster bewegt werden. Die live-elektronische Verschränkung von Bild- und Ton vermittelt den Eindruck eines ferngesteuerten Systems, das eine eigensinnige Logik und Poesie entwickelt.
“Die argentinische Komponistin Ana Maria Rodriguez lässt sich für ihre Kompositionen gern durch ungewöhnliche Räume inspirieren: durch den verzweigten Keller des Berliner Podewil, den Innenraum der Deutzer Brücke in Köln oder kürzlich den Transitraum des Züricher Flughafens. Es faszinierte sie, dass hier ein Raum durch die Vielschichtigkeit von sich überlagernden Bewegungen charakterisiert wird, durch unterschiedliche Zeitverläufe also, deren Überkreuzungen die Linearität von Zeit auflösen. Und es amüsierte sie die strikte Befolgung der durch Piktogramme symbolisierten oder verbal vorgegebenen »Verkehrsregeln «. Für das Personenlaufband lautet eine solche Regel etwa: Links gehen – Rechts stehen. In Steffi Weismann fand sie eine Partnerin, die sowohl den Witz dieses Verhaltens im Transitraum mit ihr teilte als auch jene Situation als künstlerische Herausforderung empfand. Die Schweizer Performerin und Videokünstlerin interessierte bei diesem Projekt besonders, durch welche Bedingungen unsere Wahrnehmung konditioniert wird, wie Orientierung funktioniert, mit welcher Selbstverständlichkeit wir uns in bestimmten Systemen bewegen.
Das Grundmaterial des im 12. Stock des Lichtturms der Oberbaum City entstehenden, musikalisch-visuellen Raumes bilden die vier in sich repetitiven Instrumentalstimmen (Flöte, Oboe, Klarinette, Tuba) sowie die auf dem Züricher Flughafen mit versteckter Kamera gedrehten Videosequenzen. Wegen seiner Ähnlichkeit mit einem Transitraum wurde für dieses Projekt mit Bedacht gerade diese Etage des Büroareals mit seinen spektakulären Fensterfronten und Aussichten gewählt. Ähnlich wie die jeweils spezifische Fortbewegung der Menschenströme – mühsam, leichtfüßig, schwerfällig, geduldig usw. – etwas über den Charakter der einzelnen Personen verrät, sind auch die vier Instrumentalparts vor allem durch die zeitlichen Eigenarten ihrer Bewegungsabläufe charakterisiert: durch periodische und aperiodische, geradlinige und ungeradlinige Verläufe, rhythmisierte und repetitive Strukturen, verschiedene Geschwindigkeiten.” Gisela Nauck
Mit freundlicher Unterstützung durch die Kulturstiftung des Bundes.