Automatische Musik

Automatische Musik für Mikroorganismen, Instrumente & Elektronik
UA am 13.09.2000
Konzerthaus Berlin

Konzept / Inszenierung – Andreas Köpnick / Ana Maria Rodriguez,
Sonorisation – Ana Maria Rodriguez, Technische Mitarbeit – Ralf Burkhard, Oboe – Gudrun Reschke, Trompete – Axel Dörner, Inside Piano, Andrea Neumann

„Die Erfahrung von Welt hat sich längst von der unmittelbaren sinnlichen Wahrnehmung abgekoppelt und findet in mikroprozessorgesteuerten Programmen als synthetisches Ereignis statt. Dagegen bleiben die Konsumenten dieser virtuellen Wirklichkeiten biologische Systeme, deren sinnliche Aktivität auf das Abtasten von Benutzeroberflächen reduziert wird.

Gleich einem gigantischen Verdauungssystems scheinen die „Neuen Medien“ sich jegliche irgendwie quantifizierbare Erscheinungsform einzuverleiben und in handhabbare Programmabläufe einzuschließen. Sie bilden so eine immer weitläufigere abstrakte Negativform zum originären Leben und entsprechen metaphorisch gesehen dem Tod. Die einzelligen Kleinstorganismen hingegen stellen die einfachsten vitalen Impulse dar, die originärsten Positivformen. Was würde wohl passieren, wenn die unraffinierte Intelligenz dieser biologischen Bits mit der hochgezüchteten Analytik der Mikroprozessoren zusammentreffen würde?“

Die auf das Mikroskop montierte Kamera filmt live die in der Nährlösung befindlichen Mikroorganismen. Dieses Bild wird über einen Videobeam auf Musiker und Technik projiziert. Die in diesem Abschnitt deutlich sichtbar installierten Lichtsensoren reagierten auf das Bild der sich bewegenden Mikroben und lösten so MIDI-Impulse aus. Diese Signale werden live zur Steuerung des Audiosystems benutzt, z.B. zur Auswahl und Panoramaregelung der Klänge.

Auf der Bühne als poetisches Experiment inszeniert, werden die Mikroorganismen zu einem Kunstobjekt, das sowohl den dramatischen Konflikt zwischen originärem Leben und dessen technologischer Abbildung als auch die Schönheit der intensionslosen Leichtigkeit vermittelt.

Entsprechend dem zweidimensionalen Sichtbarmachen der Mikrobenwelt (Mikroskopierung) wird ein akustisches Panorama aufgespannt, in das über Mikrofonierung feinste Geräusche und Klänge projiziert werden. In metaphorischer Äquivalenz zum Wassertropfen unter dem Mikroskop entsteht ein elastischer Klangraum, in dem sich die Klänge in Abhängigkeit zu den Mikroben bewegen.

Musiker und Publikum teilen sich die Rolle als Beobachter der Mikrowelt, die jedoch gleichzeitig den Verlauf des Experiments bestimmt und die Beobachter in das sich ausbreitende akustische Netz mit einschließt.